
Bei dem hellhäutigen Knaben mit den blonden Haaren, europäisch gekleidet,
bedrängt von dunkelhäutigen, fast nackten Bewohnern in tropischen Regionen, handelt es sich um Jeanne Baret - der ersten Frau, die die Welt umsegelte. Bei dem Herrn mit schwarzem Hut, der mit Einhalt gebietender, erhobenen Hand ihr zu Hilfe eilt, um den Arzt und Naturforscher Philibert Commerson - ihr Geliebter und ihr Lehrmeister.
Auf die äusserst spannende Geschichte der Beiden war ich Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gestossen. In einem Park, in Süddeutschland, beim Promenieren, fiel mein Blick auf ein Schildchen neben einem blühenden Hortensienbusch.
Darauf stand:"Hortensia" benannt nach Hortense Lepaute, als Mann verkleidete Reisegefährtin des Naturforschers Philibert Commerson, geb: 1727 in der Bourgogne gest: 1773 auf Mauritius:". Mein Interesse war sofort geweckt. Ich wollte mehr über diese beiden Abenteurer erfahren. Schnell zeigte sich, dass der Name der Begleiterin des Naturforschers auf dem Schildchen falsch war. Meine Recherchen ergaben, dass Commerson, in Montevideo, die Pflanze nach der Schwester "Hortense", des Prinzen von Nassau-Siegen benannte. Der 21-jährige deutsche Prinz hatte von LOUIS XV die Erlaubnis erhalten mit Bougainville an der ersten französischen Weltumsegelung teilzunehmen.
aus Les Grands Navigaurs du 18ième siècle von J.Verne,1879
Es gab noch kein Internet. Ich recherchierte lange, aufwendig und teuer real in europäischen Museen und Bibliotheken. In der Bibliothèque National de Paris, dieser Ehrfurcht einflössenden Institution, in der nüchternen Staatsbibliothek in Berlin. In der bayrischen Staatsbibliothek München. Im Museum im französischen Rochefort am Atlantik, wo die Beiden an Bord des Seglers gingen. Auch in Nürnberg, weit weg vom Atlantik und Pazifik, fand ich interessante Quellen. Bald war ich Jeanne verfallen. Die Arbeit über das Abenteuer dieser jungen Frau zog sich über Jahre hin. So gab ich dieser Internetseite schliesslich den Titel www.meine-jahre-mit-jeanne-baret.de
Heute lässt sich mühelos im Internet recherchieren. Ein paar Klicks und der Rechner gibt sein Wissen preis. Scheinbar alles. Aber nur scheinbar, denn immer noch gibt es viele Quellen, die nicht im Internet zu finden sind. Überprüft wird beim Googlen leider wenig. Es wird genommen, was passt. Die Fehler vervielfältigen sich unkontrollierbar in Sekundenschnelle und fressen sich fest. So entsteht aus einem starken Platzregen eine Jahrhundertüberschwemmung und aus einer fleissigen schüchternen Botanikerin eine fanatische Frauenkämpferin bei der Erstürmung der Bastille.
Wie erhofft, stiess ich auf einen spannenden Filmstoff. Als Biologe sah ich einen Dokumentarfilm - als Drehbuchautor einen Kinofilm. Ich gab dem Projekt den Titel "Die Passage der Venus". Dieses Projekt ist bisher mein schönstes Werk, auch darum, weil es mich wieder zurück zur Biologie und Anthropologie führte, die Fächer, die ich einst studiert hatte.
Das 1997 mit Filmförderung des Bundesministeriums des Innern geschaffene Drehbuch wurde 2004 vom Verband Deutscher Drehbuchautoren für den Deutschen Filmpreis vorgeschlagen. Ein Film wurde noch nicht daraus. Zu aufwendig. Zu teuer. Ein französischer Stoff. Es ging nicht. Schade. Ein Produzent hatte zumindest den Mut. Er wurde dafür gut belohnt mit schnellen Förderungen, u.a. für produktionsvorbereitende Massnahmen. Wie auch immer die ausgesehen haben, ich habe davon nicht viel mitbekommen. Damit war das Projekt verbrannt, wie es in der Filmbranche heisst. Denn zweimal wird ein Projekt seltenst gefördert. Und ein Projekt ohne Chance auf Förderung ist für Produzenten uninteressant - wie für einen Bayer eine Weisswurst ohne Brezel oder für einen Bretonen Austern ohne ein Wein.
Ein Redakteur des öffentlich rechtlichen deutschen Fernsehens, dem ich schon 1996 ein ausführliches Exposé für eine Dokumentation über die Geschichte geschickt hatte, teilte mir einst mit, dass das Projekt für ihn nicht in Frage käme. Ich war überrascht. Die Geschichte war doch ein Juwel für seinen Sender, das ZDF mit den spannenden Dokumentationen. Hatte er womöglich nur "mit dem zweiten Auge" geguckt? Dann zeigte es sich, dass der Redakteur den Stoff wohl doch mit beiden Augen studiert hatte und wohl auch sehr interessant gefunden hatte.
Denn später, in Pension, veröffentlichte er 2013 mit diesem Stoff seinen bis dahin einzigen Roman. Dabei bediente er sich meines Erachtens nicht nur an meinem, von ihm abgelehnten ausführlichen Exposé von 1996, sondern auch am Bestseller der französischen Autorin Fanny Deschamps, "La Bougainvillée", Éditions Albin Michel, 1982.
In dem 2-teiligen aufwendig geschriebenen Liebesroman schildert Fanny Deschamps romanhaft verändert das Schicksal von Jeanne Baret und Philibert Commerson. Die Autorin, eine Journalistin, kannte das Geheimnis der Beiden, hatte sie doch einen engen Bezug zu der Gemeinde in der Bourgogne, in der Commerson einige Zeit gelebt hatte, und wo seit vielen Jahrzehnten ein Obelisk an den berühmten Naturforscher erinnert.
Hinweise auf oben genannte wichtigen Werke finden sich in den Literatur- und Quellenangaben im Roman des ehemaligen Kulturredakteurs des Zweiten Deutschen Fernsehens nicht.
