Faule Drohnen, fleissige Bienen, reife Kokosnüsse und ein Prinz auf der Palme:
"(...) in den Wissenschaften, wie in den Bienenstöcken gibt es träge und faule Drohnen, die nur auf Kosten der fleißigen Bienen leben", schreibt Philibert Commerson während seiner Verbannung auf Mauritius in den Jahren 1768 - 1773.

Auf Mauritius fürchtet Commerson, dass er um die Früchte seiner Arbeit betrogen werden wird. In einem Brief an seinen Freund, den bekannten Astronomen De Lalande, vergleicht er seine Situation mit der „(…) eines Prinzen, der auf eine Palme klettert, um Kokosnüsse zu ernten. Der Prinz pflückt sie und wirft sie seinen Freunden zu, die nicht klettern können oder nicht wollen. Wieder unten sind die Freunde mit der Ernte verschwunden, ihm bleiben nur die leeren Schalen."
Commerson's Angst war berechtigt. Der grösste Teil seiner beeindruckenden Sammlungen, die nach seinem Tod von Mauritius nach Paris gebracht werden, kommen zuerst einmal ins Naturkundemuseum - ohne an Commerson zu erinnern. Dort sichten und bearbeiten Commersons Kollegen die beachtliche Ausbeute ihres mutigen Freundes und nutzten nicht wenig davon für ihre eigene Karriere.
Seinen Landsmann, Aimé Bonpland, ereilte einige Jahrzehnte später wohl ein ähnliches Schicksal wie Commerson. Bonpland, ebenfalls Arzt und Naturforscher, war mit dem jungen ehrgeizigen Berliner Alexander von Humboldt jahrelang auf Forschungsreise in Amerika. Am Ende ihres Abenteuers warf Bonpland dem mittlerweile berühmt gewordenen Preussen vor, dass dieser sich an seinem Material hinter seinem Rücken bedient habe.
(c) Quagaga Illustrations 2019
Die Geschichte vom Prinz mit den Kokosnüssen und die Vorwürfe von Bonpland gegen Humboldt erinnerten mich an meine Arbeit mit diesem grandiosen Stoff um Commerson und Jeanne Baret. Ich hatte ihn entdeckt und bearbeitet. Kollegen, Produzenten und Redakteure, die ich für die Realisierung eines Filmes einweihen musste, versuchten immer wieder sich meiner Arbeit zu bemächtigten.
Denn nicht nur in den Anfängen der Wissenschaften gab es diebische Kollegen. Heute findet man sie überall, also auch beim Film und beim Fernsehen. In meinem engeren Bekanntenkreis kenne ich mehrere Drehbuchautoren, denen ihre Kokosnüsse weggenommen wurden: bei freien Produzenten, bei Öffentlich Rechtlichen Sendern und anderen Organismen. Aus Angst keine Aufträge mehr zu bekommen, halten die Geschädigten still.
Humboldt (deutlich im Licht) und Bonpland (undeutlich im Schatten) am Orinico, Eduard Ender 1822-1883. Akademie der Wissenschaften

Ich hatte gleich am Anfang meiner Drehbuchautorentätigkeit entsprechende Erfahrungen (siehe Seite Jeanne Baret. Text in blau) gemacht und war so sehr wachsam geworden.
Trotzdem bin an einen Berliner Dokumentarfilmer geraten, der womöglich mit meinen ihm überlassenen Unterlagen, ohne mich einzubinden, bis zur Fertigstellung und Ausstrahlung des Films gekommen ist. Entweder war ich zu gutgläubig, weil er über eine gemeinsame Freundin kam, oder er zu durchtrieben.
Ich nenne den Kerl erstmal Neptun, weil er auch einen prächtigen Bart hat und sich gerne auf den Ozeanen herumtreibt - so wie dieser
auf dem Foto unten. Auf diesen bin ich Genua gestossen. Er hing am Bug des Schiffes von Polanski's Piratenfilm von 1986.
Wie gesagt, eine gemeinsame Freundin, einstmals Redakteurin beim Kleinen Fernsehspiel ZDF, eine Spielwiese für Nachwuchsfilmer/innen, brachte uns zusammen. Ich berichtete Neptun von meinem Projekt. Der TV-Dokuspezialist für historische Stoffe und Produzent war sofort sehr angetan. Wir kamen überein, dass, wenn er eine Dokumentation machen sollte, ich mit von der Partie sein werde. Als Co-Autor oder im Bereich Ausstattung. Zum Abschied unseres Treffens hinterliess ich ihm vertrauensvoll meine Unterlagen. Das war 2015.
Danach sahen wir uns uns ab und zu. Ich fragte immer nach, na, wie ist der Stand? Das braucht Geduld, die Mainzer arbeiten langsam, ich kenne das, habe ja schon schon viele Filme für die gemacht, war die stete Antwort. Dabei blickte Neptun verschmitzt durch sein mutiges Brillengestell.

Nach 2 Jahren Warten, 2017, teilte Neptun mir mit, dass der Sender ihm endgültig abgesagt hat. Ich war nur kurz enttäuscht, denn so richtig begeistert war ich nie über die Zusammenarbeit mit der ständigen Hinhalterei.
Dann, im Sommer, 2019, machten Bekannte eine Andeutung, dass Neptun den Film realisiert hat. Ich dachte es handelt sich um einen Scherz. Ich besuchte seine Internetseite und tatsächlich erschien dort das Projekt als vom ZDF (dem Sender, von dem Neptun mir berichtete, dass er abgesagt hat!) abgenommen mit Sendetermin. Ein Film für eine bekannte Dokumentarfilmreihe. Meinen Namen fand ich nicht auf der Ankündigung.
NEPTUN Hafen Genua (c) Tomas Bergfelder 2011
Welch' eine Frechheit. Neptun, der Dokumentarfilmer, sagt mir ab mit der Begründung das ZDF hätte kein Interesse, dann pfeift er auf unsere Abmachungen und macht den Film in aller Ruhe ohne mich - doch fürs ZDF! Ich vermute mit meinen Unterlagen, die er mir nie zurückgeschickt hat. Unglaublich.
Ich dachte an Commerson, der von seinen Kollegen und Freunden betrogen wurde. Wie hätte er mit seiner "stürmischen, leidenschaftlichen, wilden Art, und seinem ungestümen und aufbrausenden Charakter, der extrem in allem war, sei es im Spiel, in der Liebe, im Haß oder in den Freundschaften", gewütet, wenn er nach Paris zurückgekehrt wäre und hätte sehen müssen, was die Kollegen
mit seinem Material angestellt hatten? Man mag es sich nicht vorstellen.
Als friedliebender Mensch bevorzugte ich den zuständigen Redakteur zu informieren. Er leitete mich weiter an den Justitiar. Dieser meinte, ich müsste mich an den Produzenten direkt wenden. Also an Neptun. Dieser sei verantwortlich für das, was er geliefert habe.
Neptun reagierte wie viele in Bedrängnis geratene Personen heutzutage in solchen Situationen reagieren. Schamlos will oder kann er sich an nichts erinnern. Nicht an unser Treffen im Büro, nicht an meine Unterlagen, wie u.a. eine sehr ausführliche Projektbeschreibung, nicht an die Absprachen, nicht an weitere Treffen und so weiter.
Meine Bitte mir vor der Erstausstrahlung des Films Einsicht in das Filmskript zu geben, um nachzuprüfen, ob Teile aus meinen Unterlagen für seinen Film verwendet wurden, lehnte er vehement ab. Sicherlich darauf hoffend, dass die Zeit für mich zu kurz ist, um eine Einstweilige Verfügung auf Einsichtnahme zu erwirken. Eine solche hätte wahrscheinlich die Ausstrahlung erst einmal verhindert. Dies wäre nicht nur sehr peinlich gewesen, sondern hätte womöglich auch die Überweisung der wichtigen letzten Rate vom Auftragssender behindert oder gar ausgeschlossen.
So weit, so gut. Ich wartete in Ruhe auf die Erstausstrahlung des Films. Am 28. September 2019 auf Arte TV, war es so weit:
Mythos Tahiti - Ein Film von Philipp Griess, Mathieu Honoré und Eike Schmitz für ZDF/Arte 2019.
Ich habe den Film gesehen und bin froh, dass mein Name mit diesem Werk nicht genannt wird. Der Film hat mir zu viele Fehler - vorab
schon 20 bei 50 Minuten Länge - manche sind hanebüchen. Ich vermute, dass viele Fehler beabsichtigt sind, damit die Filmgeschichte so verbrämt aufgepeppt, noch spektakulärer sein soll.
Ich war und bin immer noch verwundert über die Tatsache, dass so ein Werk von der ZDF/Terra X Redaktion abgenommen wird. So entschied ich mich, meine Kritik an dem Werk dem zuständigen Redakteur zukommen lassen. Er antwortete darauf nicht.
Nicht verwundert bin ich über die Erkenntnis, dass die von mir initiierten und als Co-Autor mit geschaffenen Comicbände „Le Passage de Vénus“ für Edition Dupuis offensichtlich „inspirierend“ auf die Macher des Films Mythos Tahiti gewirkt haben. Ich wäre aber auch sehr überrascht gewesen, wenn meine Atlantis Film überlassenen Unterlagen dort so ganz ungenutzt verschimmelt wären.
Zur „Inspiration“ gibt es da ein Schreiben von Drehbuchautor und Regisseur Phillip Griess an den zuständigen Redakteur beim ZDF, in dem
er u.a. erklärt, dass er die Comicbände nicht für den Film herangezogen hat. Atlantis Film Produzent Eike Schmitz, bis vor kurzem von mir
hier Neptun genannt, hatte sich zu Beginn unseres Streits um Urheberrechtsfragen auch in diesem Sinn geäussert.
Sind die auffallenden Ähnlichkeiten der Bilder und Texte zwischen den Comicbänden und dem Film womöglich nur ein Zufall? Hatten die Filmemacher von Atlantis Film/Eike Schmitz die gleiche künstlerische Eingebung wie die Autoren und der Illustrator der Comicbände fast 20 Jahre zuvor? Ich denke, das wäre schon ein sehr sehr grosser Zufall. Zumal ich Eike Schmitz/Atlantis Film die Comics einst mit anderen Unterlagen übergeben hatte.
Diese Angelegenheit juristisch zu klären, behalte ich mir immer noch vor. Aber, Vorsicht, wie warnte mich doch eine renomierte Berliner Medienrechtsanwältin: "Recht haben, bedeutet in unserem Rechtssystem nicht automatisch auch Recht bekommen... und gegen das ZDF und seine Kumpanen kämpfen, das wird schwer und kann Sie sehr teuer zu stehen kommen."